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Kreative Verschnaufpause in Cannes 2019

Dieses Jahr ging es im deutschen Werberlager beim Cannes Festival of Creativity erstaunlich ruhig zu: Weniger Einreichungen, weniger Gewinner-Cases. Wir haben mit Katharina Schönauer von Weischer.Media gesprochen, dem Festivalrepräsentanten für Deutschland und der Schweiz.

Katharina, die im vergangenen Jahr unser “Best of Cannes Lions” Event in Karlsruhe moderierte, berichtet im Interview, was hinter der Zurückhaltung der deutschen Werber beim wichtigsten, internationalen Werbefilmfestival  – dem Oscar für Werbefilm – steckt und welche Themen die Branche aktuell beschäftigen.

Katharina, wie war dein genereller Eindruck dieses Jahr?

Ich muss sagen, dieses Jahr war Cannes anders als sonst. Die Stimmung hat sich irgendwie nach „Pausenstimmung“ angefühlt. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass viele Leute, die sonst wirklich immer da waren, dieses Jahr nicht in Cannes waren. Daher hat es sich so angefühlt, als würden wir dieses Jahr ein bisschen Halt machen.

Was hat sich am Programm geändert?

Das Festival hat sich ganz klar verschlankt – im positiven Sinne. 2018 gab es viel Kritik, gerade auch in Bezug darauf, dass Cannes immer größer, aufgeblähter und undurchsichtiger wird. Diese Kritik wurde angenommen. Das heißt, es gab weniger Talks, das ganze Programm war auf Palais 1 konzentriert und das Programm war für Neulinge transparenter, sodass sie einen besseren Überblick hatten.

Gab es etwas komplett Überraschendes für dich in diesem Jahr?

Für mich war wirklich sehr überraschend, dass Deutschland den PR Grand Prix gewonnen hat: Hut ab, Scholz&Friends! Die Aktion “The Tampon Book” für The Female Company , ein Stuttgarter Online-Startup für Hygieneprodukte, ist echt geniale Arbeit! Ich war mir auch sicher, dass sie damit abräumen, aber ich war super überrascht, dass es dann sogar der PR Grand Prix wurde und habe mich sehr darüber gefreut!

Dennoch: Letztes Jahr hat Deutschland doppelt so viele Löwen gewonnen wie dieses Jahr. Woran lag der diesjährige „Verlust“?

Ja, da gab es tatsächlich einige Gründe. Wir merken natürlich, dass Jung von Matt dieses Jahr nicht dabei war – die haben letztes Jahr wirklich viel abgeräumt. Außerdem hat die Jury dieses Jahr allgemein so hart bewertet, wie noch nie. Die JurorInnen haben dieses Jahr spezielle Bewertungskriterien bekommen, die das erste Mal in Kraft getreten sind. So gab es neue Richtlinien, die sich speziell gegen negative Gender-Stereotypen gerichtet haben. Es ging also sehr streng zu.

Insgesamt gab es für uns große Verluste im Vergleich zum letzten Jahr und das hat auch von Anfang an für sehr gedämpfte Stimmung im deutschen Lager gesorgt. Aber wir sind im Länderranking immer noch auf Platz sechs. Im vergangenen Jahr waren wir auf Platz fünf. Das heißt, es ist alles nicht so schlimm, wie es schwarz-gemalt wird.

Weshalb haben Agenturen pausiert?

Jung von Matt reicht seit einigen Jahren nur jedes zweite Jahr ein. Das ist also nichts Außergewöhnliches. Antoni, die Agentur von Mercedes-Benz, hat in diesem Jahr auch nicht teilgenommen, aber einige kleinere Cases über ihre Filmproduktion eingereicht. Auch Thjnk aus Habmurg war dieses Jahr nicht dabei, weil sie sich stark auf neue Geschäfte und Kunden konzentrieren wollen. Das ist insgesamt der Tenor bei vielen Agenturen, mit denen ich gesprochen habe: „Dieses Jahr machen wir Pause, aber nächstes Jahr kommen wir dann doppelt gestärkt zurück!“

Bereits Letztes Jahr standen viele soziale Themen im Mittelpunkt. Ein Trend?

Ganz klar ist, dass Grand Prix Cases oder Gold Cases verstärkt auf soziale Themen eingehen und so zum Beispiel Aufmerksamkeit für Tabuthemen generieren. Das ist ein Trend, der sich seit Jahren in Cannes abzeichnet. In den meisten Fällen handelt es sich da nicht nur um einen reinen Abverkauf von Produkten, sondern es gibt dann einen Purpose-Twist. Zum Beispiel sieht man das bei „NIKE – Dream Crazy“ – ein typischer Cannes-Case. Da war schon von vornherein klar, dass das auf jeden Fall der Abräumer des Jahres werden wird.

Wieso haben die Deutschen in der Kategorie „Social & Influencer“ nichts abgeräumt?

Das wundert mich nicht sehr. Es ist bezeichnend, wie die Branche hier in Deutschland mit dem Thema umgeht. Gefühlt jede Woche lese ich in der Presse Streitgespräche, ob das eine ernstzunehmende Disziplin ist oder eben nicht. Und das ist schon sehr auffällig. In anderen Ländern stellt sich die Frage gar nicht mehr, da ist man schon viel weiter!

Wie sieht es generell mit der Innovation in Deutschland aus?

Deutschland ist besonders gut in den klassischen Kategorien. Wir sind stark in Design, gut in Publishing und Film – all das können wir, aber wir sind nicht die großen Innovatoren, die über den Tellerrand hinausdenken und tolle Produktentwicklungen aufs Eis legen.

Dein persönlicher Ausblick fürs nächste Jahr?

Dieses Jahr war ein kleiner Dämpfer, aber das spornt die Leute auch an, eine Schippe draufzulegen und zu sagen: „Nächstes Jahr wird‘s wieder!“ Deshalb glaube ich, dass 2020 ein gutes Jahr für Deutschland wird!

Danke dir für deine Zeit und das spannende Gespräch, Katharina.

Das Gespräch führte Julian Hoß von NACONA.

 

Tipp: Termine für den diesjährigen Cannes Lions Report: 25.07. (Stuttgart),  19.09. (Donaueschingen),  24.09. (Karlsruhe – direkt neben unserem Büro)